Die Tradition, Geschichten zu erzählen, ist so alt, wie die Menschheitsgeschichte selbst. Trotzdem nehmen wir uns heute kaum noch Zeit mit unseren Kindern, Nichten und Neffen oder Enkeln ein Buch gemeinsam zu lesen oder gar eine Geschichte zu erzählen. Oft ist es einfach bequemer, es sich nach der Arbeit vor dem Fernseher gemütlich zu machen. Dabei brauchen gerade kleine Kinder nichts dringender als unsere Aufmerksamkeit und die Zeit, die wir mit Ihnen sprechen. Je mehr wir uns diese Zeit mit ihnen im Kleinkindalter nehmen, umso leichter wird sich das Kind später in der Schule tun. Denn dieser Wortschatz, den das Kind dank Ihnen und seinem Umfeld in dieser Zeit ansammeln kann, bleibt für immer.
Geschichten zu erzählen hat aber auch noch viele weitere, positive Nebeneffekte: Es hilft dem Kind, die eigene Herkunft und andere Kulturen zu verstehen. Erinnern Sie sich etwa an die Geschichten aus den Bergen und die schönen Bräuche in unserem Land oder auch die spannenden Tiergeschichten, die den Kindern aus dem fernen Afrika erzählt werden. Beides gibt wunderbare Einblicke und bereichert den Horizont der Kinder von klein auf. Oder denken Sie daran, wenn der Vater von der Arbeit nach Hause kommt und von seinem Tag erzählt. Das Kind hört zu, lernt Alltagssituationen zu verstehen. Es hilft aber auch neue Begebenheiten besser einzuschätzen, wenn man zuvor schon gemeinsam darüber gelesen oder geredet hat, wie etwa ein Krankheitsfall in der Familie oder der erste Besuch beim Zahnarzt. Denken Sie an die schönen Bücher, die von den Tieren im Meer erzählen oder vom Leben in einer fernen Stadt – wie sehr können sie die Kreativität der Kinder anspornen, wenn Sie daraus vorlesen, Bilder dazu zeigen oder gemeinsam Fotoalben durchblättern. Das Kind wird gespannt zuhören, es wird alle Informationen abspeichern und lernt so vielleicht schon bald seine eigenen Geschichten zu erzählen.
Je mehr wir Geschichten mit allen Sinnen erfahrbar machen, umso mehr Eindruck werden sie hinterlassen. Wir können den Kindern Geschichten erzählen und mit Bildern, Materialien und Experimenten die Vorgänge aus der Vergangenheit (Geschichte) oder im Hier und Jetzt (Das Leben im Wald) vorstellbar und nachvollziehbar machen. Spielerisch kann man gemeinsam im Wald Buchstaben und Wörter mit Ästen legen und erraten lassen. In Baumkronen kann man Buchstaben erkennen, im Lehm Abdrücke in Form von Buchstaben oder Worten hinterlassen. Worte können gemeinsam einmal von vorne, einmal von hinten gelesen werden, mit Klatsch- und Fangspielen werden neue Worte gelernt oder Reime einstudiert.
Das Wesentliche an Geschichten, die wir erzählen, ist, dass sie sich an der Wirklichkeit orientieren. Es geht also nicht darum, Phantasiegeschichten zu erzählen. Die Natur bietet genügend spannende Geschichte, etwa wie sich die Erde, die Tier- und Pflanzenwelt, die Menschheit entwickelt hat und welche Voraussetzungen dazu notwendig waren. So lernen Kinder von klein auf eine Hochachtung gegenüber der Schöpfung und auch gegenüber den Errungenschaften unserer Vorfahren. Teilen Sie mit den Kindern Geschichten und zeigen Sie die Schönheit und die Ordnung der Welt und des Geschehens auf ihr und somit um sie herum.